Mein Babytagebuch als Buch.

Ich bin 2 Jahre alt.


Die Mama hat ein echtes Buch aus meinem Babytagebuch gemacht! Vom ersten Jahr zumindest. Sie sagt, das ist, damit sie es mir zum 18. Geburtstag schenken kann. Oder zum 16. oder 14. Bis dahin dauert’s ja noch ein ganz klein wenig und vielleicht haben in der Zwischenzeit ein paar andere Bald- und Jung-Mamis Spaß daran, es zu lesen – hier kann man es jedenfalls erstehen:

https://www.amazon.de/Babys-Tagebuch-Welt-alles-passierte/dp/1541273451/ref=sr_1_3?s=books&ie=UTF8&qid=1487009543&sr=1-3&keywords=babys+tagebuch

Nachdem ich schon weiß, was alles passiert in dem Buch, weiß ich nicht, ob das soooo ein tolles Geschenk sein wird.

Nachdem ich schon weiß, was alles passiert in dem Buch, bezweifle ich, dass das soooo ein tolles Geschenk sein wird.

Mama meint aber, ich werde mich an nichts davon erinnern können. Glaub‘ ich nicht! Seit ich auf der Welt bin, ist so viel passiert und ich soll das alles vergessen? Unmöglich! Ich werde ab sofort probieren, nichts mehr aufzuschreiben und dann schauen, was ich morgen noch davon weiß.

Das ist das Ende, liebes Tagebuch.

Ich bin 2 Jahre alt.


Nach einigen Wochen des Nicht-Schreibens ins Tagebuch, muss ich sagen: Es geht ganz gut ohne. Das liegt vielleicht einerseits daran, dass ich momentan lieber singe als rede – besonders beim Essen. Kaum steht ein voller Teller vor mir, stimme ich ein Liedchen an. Zum Beispiel „Der Tisch ist heute meine Trommel“. Dann sagt Mama, dass ich doch bitte essen solle und wir später singen können. Also nehme ich zwei Bissen, um dann „Happy Birthday“ zu  schmettern. Da fragt die Mama dann, wer denn Geburtstag hätte oder ob ich schon für die Oma übe, die sei als nächste dran. Auch gern in der Lieder-zum-Essen-Palette findet sich der Cowboy Jim, „Hoch am Himmel, tief auf der Erde“ sowie „Miau, miau“.

Naja, mein niedriges Mitteilungsbedürfnis hier könnte aber auch daran liegen, dass ich mich da draußen in der Welt eh andauernd ausdrücke – halt mit reden. Manchmal auch in einer Fantasiesprache, die niemand außer mir versteht, nicht mal die Mama. Gut unterhalten ist sie aber trotzdem damit.

Wie auch immer, es kommt aufs selbe raus: Tschüß, Baba und Servus, liebes Tagebuch. Es war mir ein sehr großes Vergnügen. Dickes Bussi!

Allein zuhause.

Ich bin 2 Jahre alt.


Die Mama hat, wie schon so oft, schnell den Müll rausgetragen. Flott ist sie raus bei der Haustür und hat gesagt, sie sei in ein paar Sekunden wieder da. Die Zeit hab ich dazu genutzt, um mal an dem Drehknauf an der Haustür rumzufummeln. Kurz darauf hat sich die Schnalle an der Haustür bewegt – aber nicht die Tür. Und dann hat’s plötzlich an der Tür geklopft, heftigst geklopft. Ich weiß eh, dass das die Mama war, weil sie zwischen dem Klopfen immer geredet hat. Sehr laut geredet, fast geschrien hat.

„Zwetschke!“, hat sie gesagt und dazu noch irgendwas, was ich nicht verstanden hab. „Warum kommt sie denn nicht einfach rein?“, hab ich mir gedacht, dann müsste sie nicht so schreien. Aber die Mama ist draußen geblieben. Ich hab mich in der Garderobe versteckt. Das hatte ich schon die ganze Zeit vor und ich fand, jetzt war endlich die richtige Gelegenheit.

Nach einer Weile hat es draußen wieder heftig geklopft: „Zwetschke, hörst du mich? Bist du da? … Zwetschke!!“ Ich hab mich dann gegen das Verstecken entschieden und dafür, auf die Rufe meiner Mutter zu reagieren. Sie hat mir gesagt, ich solle doch den Drehknauf noch einmal drehen so wie vorhin, nur diesmal in die andere Richtung: nach links. Das sei dort, wo das linke Ohr und der linke Fuß sind. Hab ich gemacht, da hat sich die Türschnalle bewegt aber sonst nichts. Daraufhin hat die Mama mich gebeten, den Drehknauf noch mehr zu drehen. Richtig angefeuert hat sie mich. Also hab ich noch mal. Wieder hat sich die Türschnalle bewegt und diesmal mit ihr die Tür! Und da stand die Mama wieder. Gleich darauf ist sie auf die Knie gefallen und hat mich umarmt. Ui, die war kalt! Dann hat sie mich etwas von sich geschoben, ernst angesehen und folgende Forderungen gestellt:

Ich solle

  • den Drehknauf an der Haustür nie nie wieder anfassen und
  • sie ja nie nie wieder aussperren.

Überdies soll ich aber bitte so eine neugierige, vife Plätschen bleiben.

Beim Essen kommt der Gusto aufs Singen.

Ich bin 2 Jahre alt.


Wenn Mama mir Essen macht, dann koste ich das sehr gerne – so lange es noch am Küchenblock steht. Dort esse ich die Gurke, löffle die Linsensuppe direkt aus dem Topf und koste sogar mal vom Paprika.

Kommt das Menü dann auf den Tisch, finde ich es lange nicht mehr so interessant. Denn so bald ich sitze, fällt mir ein, dass ich jetzt total gerne singen möchte. Oder noch lieber und zuerst das Mahlzeiten-Sprücherl aus dem Kindergarten aufsagen will: „Wia jeichen uns die Hände nach guiter alter Sitt‘ und wünschen uns zur Jause jecht guiten Appetit!“ Dazu müssen die Hände meiner Eltern in einer gewissen Position am Tisch liegen: Mit den Handflächen nach unten und ich lege meine darüber. Leider bewegen sich die Elterlichen dauernd und ich muss immer wieder nachjustieren. So dauert das mit dem Sprücherl eine Zeit. Zu lange für Mama, die dann schon öfter mal mit dem Essen beginnt, weil sie hungrig ist, sagt sie. Dazu meint sie noch, dass ich jetzt endlich auch zugreifen und nicht nur vom Essen reden soll.

Doch nach nur einem Bissen kriege ich so eine Lust auf singen! Am liebsten das Trommellied oder den Cowboy Jim. „Mach mit, Mama!“, fordere ich dann. Doch meine liebe Mutter weigert sich anzustimmen, so lange ihr Mund noch voll ist. Und der ist immer schrecklich lange voll. Sie sagt, das komme daher, dass sie meine Portion zum Schluss meist auch noch essen müsste, weil ich ja nicht und so. Ich würde eh essen. Später dann etwas aus der Lade – ein Schokoschirmchen zum Beispiel. Oder Gummibärli. Oder auch einen Schlecker. Das darf ich dann aber wieder nicht. Als ob es Essen und Essen gäbe. Komisch.

Zwei Jaje.

Ich bin 2 Jahre alt.


Gestern hat mich jeder gefragt, wie alt ich denn heute werde. „Zwei Jaje“ gab ich jedem sehr bereitwillig zur Antwort, hob meine Hand, um Daumen und Zeigefinger wegzustrecken, während die restliche Hand zur Faust geballt war. Auch schon Tage, sogar Wochen zuvor habe ich all das gemacht, als man mich nach meinem Geburtstag fragte. Und heute?

Heute interessiert sich niemand mehr für mein Alter.

Reihenfolgendiskussion.

Ich bin 23 Monate und 30 Tage alt.


Mama erzählt mir fast jeden Tag, was wir an eben diesem Tag so vor haben. Darunter sind so Sachen wie einkaufen gehen, zur Oma und zum Opa gehen, etwas besorgen, zu meiner Tante fahren, zum Onkel Doktor gehen oder auch irgendetwas im Haus erledigen.

Ich gebe dann bekannt, was ich gerne als Erstes machen möchte, also etwa:
Zuerst Oma Opa gehen, dann…
Zuerst Siwia gehen, dann…
Zuerst Caoine fahn, dann… – was dann kommt lasse ich offen. Das dürfte dann die Mama bestimmen.

Doch Mama ist selten mit meiner ersten Wahl einverstanden und gibt eine andere Reihenfolge der Dinge bekannt. Wogegen ich insistiere, was ich gerne zuerst machen möchte. Woraufhin Mama wiederum ihren Tagesplan runterrattert und ich wieder einwerfe „Zuerst…“ – meist ist es Oma Opa gehen, was ich als Erstes machen möchte.

Minutenlang geht das so hin und her und Mama erklärt mir, warum wir dieses als Erstes machen und dann erst jenes. Ist mir egal, muss ich sagen, ich möchte trotzdem das zuerst machen, was ich als Erstes machen möchte. Was aber nix hilft – wir machen es immer nach Mamas Reihenfolge. Ich muss mich also ergeben. Noch. Vielleicht komme ich noch drauf, wie ich meinen Kopf durchsetzen kann.

Nasenbärspray.

Ich bin 23 Monate und 27 Tage alt.


Nasenbären haben eine sehr empfindliche Nase. Damit die immer sauber bleibt und die Nasenbären gesund, halten sie ihre sensiblen Nasen so oft es geht in den feuchten Wind. Weil aber nicht immer ein feuchter Wind geht, sammeln sie diesen feuchten Wind auch in kleinen Flaschen. So haben sie immer etwas, um ihre Nase sauber zu machen. Diese Flaschen sind sehr kostbar für die Nasenbären. Deshalb bin ich sehr stolz, dass letztens ein Nasenbär bei uns zuhause war und eines dieser Fläschchen mit feuchtem Wind vorbei gebracht hat.

Ich hab den Nasenbären leider nicht persönlich kennengelernt. Er war ganz früh in der Früh da und hat der Mama das Fläschchen gegeben. Weil er gehört hat, dass meine Nase dauernd verstopft ist und ich besonders in der Nacht keine Luft kriege. Dass ich dann durch den Mund atme, der austrocknet und ich husten muss. Manchmal mehr, manchmal so viel, dass wir uns die Nacht um die Ohren husten. Der Nasenbär kennt das und weiß, wie grauslich das ist. Darum hat er mir ein Fläschchen feuchten Wind abgetreten. Ich mag diesen feuchten Wind eigentlich nicht in der Nase, aber andererseits muss ich dann auch an den Nasenbären denken und wie der ganz früh wegen mir vor der Tür gestanden ist. Dabei muss man auch bedenken, was der für eine weite Reise gemacht hat wegen mir! Aus Afrika ist er gekommen, sagt die Mama. Und dann sagt sie, da muss sie noch mal nachfragen, ob wirklich Afrika und so. Aber von weit weg ist er auf alle Fälle hergekommen.

Wenn mir Mama den feuchten Wind in die Nase sprühen will, schaue ich sie also an und sage „Nasenbär“, denke ganz fest „Nasenbär“ und lass den feuchten Wind über mich und meine Nase ergehen. Das klappt manchmal ganz gut. Nicht immer, aber manchmal schon. Vielleicht ist das Flascherl feuchter Wind auch irgendwann mal leer und der Nasenbär bringt mir wieder eines. Dann frag ich ihn persönlich, wo er herkommt.

 

Neigungsbekundungen.

Ich bin 23 Monate und 24 Tage alt.


In letzter Zeit verleihe ich meinem Gefallen gerne Ausdruck. Wenn ich etwas mag, sage ich „Gefällt mir sehr gut.“ Zum Beispiel sage ich das zu dem bunten Teufel, der auf einem Sticker abgebildet ist. Oder auch zum Pullover mit dem Rennauto drauf. Wenn Mama mich morgens anzieht, frage ich oft nach dem. Oder auch nach dem mit der Eule. Gefallen mir eben beide sehr gut – genau so wie einige Dinge in Büchern. Die Amsel gefällt mir zum Beispiel eben sehr gut – ganz im Gegenteil zu den Amselküken. Da heißt es „Mag niichd“.

Wie auch immer – egal, wozu ich mein Gefallen äußere, meinen Eltern gefällt genau das sehr gut. Das ist eindeutig am Schmunzeln zu erkennen.

Einmal hat Mama sogar richtig laut aufgelacht – als ich gesagt habe, dass mir eben die Mama sehr gut gefällt.

Mamas und Papas Bitte.

Ich bin 23 Monate und 20 Tage alt.


Heute Morgen beim Frühstück hat Mama mich – auch im Namen von Papa, der gerade im Bad war, sich frisch und fesch machen – um etwas gebeten: Wenn ich wieder um halb 3 Uhr früh putzmunter bin, soll ich bitte nicht:

  • Sagen, was lustig ist.
  • Erzählen, was mir sehr gut gefällt.
  • Herumwischpeln.
  • X Mal aus meiner Flasche trinken wollen.
  • Den Schlafsack ausziehen wollen.
  • Runter ins Wohnzimmer gehen wollen.

Nein, was ich bitteschön tun soll, ist Ruhe geben und einfach weiterschlafen so wie die allermeisten Menschen um diese Zeit – und Mama und Papa eben auch, wenn sie nicht durch alle oben genannten Punkte von mir davon abgehalten würden. Naja, mal schauen, ob ich das berücksichtigen kann, wenn ich mal wieder mitten in der Nacht glaube, es sei schon Tag. Schwer vorstellbar, denn Mama hat gemeint, sie hätte sich bereits letzte Woche mit dieser Bitte, als ich so von 4 bis 4.30 wach war, an mich gewandt.

Gschnaspremiere.

Ich bin 23 Monate und 16 Tage alt.


Gestern war ich auf meinem ersten Maskenball. Mama hat mir was angezogen, das Oma und Opa mir aus dem Urlaub mitgebracht haben und mich ab diesem Zeitpunkt fast nur noch kleine Inderin genannt. Dann sind wir los und na dort war was los! Cowboys, Hexen, Spidermen und noch viel mehr sind wild durch den Saal gefetzt und haben zu lauter Musik getanzt. Krapfen gab es und Apfelsaft. Bunte Papierschnipserl sind durch die Luft geflogen und es war einfach irrsinnig aufregend. So aufregend, dass ich das Spektakel lieber von oben betrachtet habe. Von Mamas Arm aus habe ich eine wesentlich bessere Sicht. Nur für einige Minuten hatte ich festen Boden unter den Füßen. Das war, als Mama gesagt hat, sie kann nicht mehr und ich zu Papa gelaufen bin.

Dann sind wir bald nach Hause. Wo ich bis zum Schlafengehen als kleine Inderin rumgelaufen bin. Weder das Kleid noch den Punkt auf der Stirn wollte ich hergeben. Denn Verkleiden finde ich prinzipiell gut und im kleinen intimen Rahmen halt am besten.