Ich bin 11 Monate und 18 Tage alt.
Ja, dieser Hut, den Papa zur Faschingsparty tragen und sich so als Dr. King Schultz aus Django Unchained ausgeben wird.
Dieser Hut liegt in der Ecke des Wickelzimmers, scheinbar achtlos auf ein Plastiksackerl geworfen, bildet er die Spitze selbigens. Und wahrlich das ist er – ein Gipfel, für mich so magnetisch wie für einen Bergsteiger.
Kaum sitze ich am Wickeltisch und sehe den Hut, scheint er umgekehrt mich anzusehen. Anzuziehen. Aufgeregt versuche ich, Mama darauf aufmerksam zu machen: Da-da-da! Doch sie versteht nicht, was dieser Hut in mir auslöst: Lässig erklärt sie, was ich hier in der ersten Zeile beschrieben habe.
Also noch einmal „Da-da-da!“ mit intensiver Unterstützung des Zeigefingers.
Nun setzt sie mich auf den Boden. Nun bin ich ratlos. Ich kann doch nicht einfach so hin zu dem Hut. Ich bin ein ehrfürchtiger Bergsteiger. Sieht sie denn nicht, wie gewaltig dieser Gipfel ist? Für sie anscheinend nicht, denn ganz lässig nähert sie sich ihm, kniet sich daneben und meint, ich solle ihr doch einfach folgen.
Sieht sie denn nicht, wie grau dieser Hut ist? Wie rau dieser Hut ist? Wie er auf einer Seite offen ist und so wie ein aufgeschnittener Ball aussieht? Nö, tut sie nicht. Wenn sie es würde, könnte sie sich nicht so nonchalant neben ihn knien.
Ich kann jedenfalls nicht einfach so mal eben hinkrabbeln. Also verlassen wir das Zimmer. Doch der Hut! Der Hut! Er geht mir nicht auf, nein aus dem Kopf! Also noch ein Mal „Da-da-da!“ und den Zeigefinger fest entschlossen in Richtung seines Aufenthaltsorts.
Mama seufzt.
Aber sie geht mit mir zu dem Hut. Ganz nah ran! Ich muss mich fester an sie klammern. Meine Hände umschlingen ihren Arm.
Sie nimmt den Hut hoch!
Ich kann nicht hinsehen! Ich muss mich wegdrehen. Ich kann nicht. Das ist doch der Hut!
Mama bringt ihn ganz nah an mein Gesicht und ich, ich weiß nicht, ob ich mich trauen soll. Zaghaft strecke ich die Hand aus und achte dabei darauf, dass ich mich trotz dieser Bewegung keinen Millimeter von Mama wegbewege. Und da hab ich ihn berührt. Nur ein Mal. Ein Mal ganz kurz mit dem Fingernagel drübergescharrt. Wie aufregend. Genug aufregend für den ganzen Tag. Also, danke Mama, lieb, dass du fragst, Mama, aber ich will ihn jetzt nicht noch einmal angreifen, Mama.
Naja, vielleicht freunde ich mich ja noch an mit dem Hut. Vielleicht kann ich meine Ehrfurcht verarbeiten. So wie beim Gymnastikball, der größer ist als ich. Und beim Luftballon, der sich merkwürdig bewegt und kaum fassen lässt. Und beim anderen Riesenball mit den bunten Streifen drauf.
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