Ich habe Mitesser. Und Mittrinker.

Ich bin 15 Monate und 29 Tage alt.


Mama und Papa versorgen mich gut. Sie vergessen aber oft, dass auch ich mich um ein paar Dinge kümmern muss, wozu ich aber wiederum teilweise ihre Hilfe brauche, weil ich mich noch nicht so gut kümmern kann – um den Tigga, um den Hugo und um die kleine Raupe Nimmersatt. Die müssen auch essen und trinken. Wenn Mama mir also in der Früh mein Wasser gibt, muss ich ihr bedeuten, dass auch Tigga, mein kleines Stofftier, Durst hat und sie ihm doch bitte seine Flasche reichen möge. Ich würde ihn auch aus meiner trinken lassen, aber das mag Mama nicht. Der Gute ist noch so ungeschickt, da geht immer alles daneben. Also bekommt er seine eigene Flasche. Die mit echtem Tigga-Wasser. Aber nicht nur auf Tigga muss ich schauen, ich möchte auch, dass Hugo, meine Puppe, ein Spangerl ins Haar bekommt. Ich meine, wenn ich nicht ohne Spangerl kann, dann er auch nicht. Dasselbe gilt für die kleine Raupe Nimmersatt und zum Beispiel eine Banane. Esse ich eine, soll sie auch ein Stück davon abhaben. Mama macht dann so komische Geräusche, wenn sie das Holz-Räupchen füttert: Mjamm-mjamm-mjamm. Da muss ich lachen. Ich glaube nämlich nicht, dass Raupen solche Geräusche mache.

Pap’n, Oida.

Ich bin 15 Monate und 26 Tage alt.


Ich sage diese Worte selten in dieser Kombination, doch auch einzeln amüsieren sie meine Eltern aufs Äußerste. Beziehungsweise hat Mama mich das erste Mal, als ich „Pap’n“ sagte, entsetzt angesehen – und dann gelacht. Sie hat mir erklärt, dass sie das erheitert, weil es ein umgangssprachliches, hässliches Wort für Mund ist. Und ob ich nicht lieber Goscherl sagen möchte. Das ist auch Dialekt für Mund, aber lieber Dialekt. Da ich Mund aber so oder so nicht meine, sondern Lampe, das aber nicht sagen kann, bleibe ich bei Pap’n.

Oida verwende ich sporadischer, deshalb versteht Mama auch noch nicht, was ich damit meine. Ich weiß hingegen, was sie meint, wenn sie es benutzt. Dieses österreichische Idiom für „Alter“ wird gerne – auch schon in meiner Gegenwart – verwendet, wenn man seinem Ärger Ausdruck verleihen will. Oder seiner Verwunderung. Oder seiner Bewunderung. Ist anscheinend ziemlich vielfältig einsetzbar. Vielleicht bleibt ich deshalb gleich dabei und bemühe mich erst gar nicht, das Wort draus zu machen, das es eigentlich werden soll.

Ich kann weiche Knie.

Ich bin 15 Monate und 23 Tage alt.


Mama stellt mich oft hin. Sie wickelt mich, zieht mich an, nimmt mich und stellt mich dann hin. Oder sie füttert mich, hebt mich aus dem Hochstuhl und stellt mich dann auf den Boden. Natürlich kann es auch vorkommen, dass sie mich einfach so durch die Gegend trägt, das einfach so nicht mehr will und mich einfach so runter auf die Erde stellt. Nur hab ich jetzt festgestellt, dass ich mich gar nicht hinstellen lassen muss. Ich kann einfach den unteren Teil meiner Beine wegklappen, sozusagen meine Füße einziehen und – siehe da! – sie kann mich nicht mehr einfach so hinstellen. Mama war momentan etwas überrascht über mein Gebaren, mittlerweile hat sie aber eine Lösung für meine weichen Knie: Sie lässt mich einfach auf denselbigen sitzen! Der guten Frau ist anscheinend egal, ob ich stehe oder knie. Hätte ich nicht gedacht.

Ich spreche auch mit meinen Händen.

Ich bin 15 Monate und 19 Tage alt.


Tja, es geht halt manchmal auch einfach nicht anders. Ich sage, was ich will, aber man versteht mich hier nicht. Ich sage „Abi, abi“ und als Antwort bekomme ich von meiner Mutter Folgendes: Wir sind hier in Österreich, mein Schatz, da machen wir nicht Abi sondern Matura. Da versteht sie mich also genauso wenig, wie ich sie mit diesem Matura-Quatsch – gar nicht nämlich. Dasselbe Problem haben wir, wenn ich „Tati“ sage. Mamas Gesicht ist ein einziges Fragezeichen. Vielleicht kommt sie irgendwann drauf, was ich meine. Da das aber dauern kann, verwende ich bis dahin meine Hände, um meinen Willen zu bedeuten. Also nehme ich die gute Frau bei der Hand und ziehe, wenn ich will, dass sie mit mir mitkommt. Das funktioniert meist ganz gut, nur beim Essen nicht. Da bleibt sie sitzen, meine Mutter. Genauso der Papa. Oder auch die Oma und der Opa. Obwohl, bei dem habe ich zumindest hie und da Chancen auf Erfolg. Meine Hände verwende ich außerdem, wenn Mama aufstehen soll, weil ich, ich, ich ganz unbedingt auf den Sessel will, auf dem sie sitzt. Dann streiche ich ihr über die Oberschenkel und – ta-ta! – sie erhebt sich. Geht übrigens auch im Liegen. Nur streiche ich da übers Gesicht. Ich ziehe quasi an den Wangen. Bei Papa muss ich das schon einige Male machen, besonders in der Früh, da ist er meist schwer aus dem Bett zu kriegen.

Ich spreche in Sätzen.

Ich bin 15 Monate und 16 Tage alt.


Na gut, es ist nur ein Satz, den ich spreche. Und ich wusste lange gar nicht, dass es überhaupt ein Satz ist. Für mich klingt Adais eher wie ein Wort. Doch Mama sagt, dass es ein Satz sei: „Ach, da ist es.“ sollte man eigentlich sagen, hat sie mir letztens erklärt. Sagt aber trotzdem immer A-da-is. Wirklich ständig sagt sie diesen „Satz“. Wenn meine Hand durch den Ärmel gerutscht ist, sagt sie A-da-is oder auch wenn sie den vollgeräumten Tisch mit Blicken absucht und dann findet, wonach sie Ausschau gehalten hat. Beim Kochen sagt sie sehr oft A-da-is und bevor wir das Haus verlassen und sie unsere 7 Sachen zusammensucht, hört sie oft gar nicht auf damit, diesen Satz zu sagen. Wenn wir das Haus verlassen haben, geht es sogar noch weiter. Da schaut sie dann noch einmal in ihre Tasche, kramt herum und wieder: A-da-is.

Nachdem dieses Wort, tschuldigung, dieser Satz so wichtig scheint, sage ich ihn eben auch. A-da-is mein Buch, mein Fuß und auch die Pusteblume im Garten. Im Gegenteil zu ihr brauche ich dafür aber gar nicht auf der Suche nach etwas sein. Ich weiß schließlich, wo meine Sachen sind.

Ein bis drei Mal Ba.

Ich bin 15 Monate und 13 Tage alt.


„Ba“ ist eine echt variable Silbe. In ihrer Grundform – also nur Ba! – benutze ich sie zum Beispiel oft, wenn ich etwas esse. Mama gibt mir eine Gurke und ich sage Ba! Das hindert mich aber nicht daran, gleich darauf noch ein Stück davon zu essen – oder auch nicht. Ich nehm das nicht so genau. Ba! ist aber auch alles, was man gar nicht essen soll. Also Mamas Gummihandschuhe oder das Blatt im Garten oder auch ein Stein auf der Straße. Dann sage ich schon Ba! noch bevor ich es in den Mund stecke, dazu schüttle ich den Kopf und schaue Mama an. Die muss mir nämlich schon bestätigen, ob das wirklich Ba! ist oder ob ich es nicht doch eventuell bei Gelegenheit in den Mund stecken könnte. In 99% der Fälle bleibt es bei Ba! und das Etwas – leider – aus meinem Mund.

2 Mal Ba bekommt alles, was weg geht. Meistens sage ich zu Leuten Baba. Manchmal auch zu Dingen. Immer öfter sage ich es zu meinem Essen, wenn es in meinem Bauch gelandet ist. Dann ist die Schüssel leer und die Mahlzeit darin eben Baba.

Und schließlich 3 Mal Ba, das ist mein Lieblingslied. Ba-ba-ba, Ba-bar-bara-Ann.

Heißßßßß!

Ich bin 15 Monate und 10 Tage alt.


Ich sage gerne „heißßß“ mit dem extra scharfen S hintendran. Das zischt so schön. Und es muss dafür auch gar nicht so heißßß sein – eine Temperatur, die leicht von der meines Körpers oder von der Umgebung abweicht, reicht schon. Die Heizung ist genauso heiß wie das Wasser zum Aufwischen im Kübel oder die Eingangstür in der Frühlingssonne. Heiß ist aber auch die Stiege, wenn ich mich mit nackten Beinen darauf setze oder das Glas im Fenster und natürlich auch die ganzen Sachen zum Essen, die im weißen Schrank sind. Mama sagt dann immer, dass Ersteres eher warm und Letzteres in keinem Fall heiß sondern viel mehr kalt wäre. Das mag sein, nur das kann ich halt nicht sagen. Und schon gar nicht so schön sagen, wie ich heißßßß sagen kann. Darum sage ich einfach immer nur heiß. Das muss reichen, um meiner Umgebung mitzuteilen, dass ich eine Veränderung der Temperatur als sehr spannend wahrnehme.

 

Mein 1. visuelles Lieblingslied.

Ich bin 15 Monate und 7 Tage alt.


Barbara-Ann. So heißt mein neues Lieblingslied. Doch es ist anders als all die anderen Liedern, die ich in meinem Leben favorisiert habe. Bei diesem hier reicht’s nämlich nicht, wenn Mama es singt oder es im Radio läuft. Nein, dieses Lied muss ich sehen. Auf Mamas Handy. Am liebsten ganz oft am Tag. Wenn sie ihr iPhone also zur Hand nimmt, verlange ich sofort Ba-ba-ba. Sie sagt dann aber, sie müsse jetzt telefonieren oder was nachschauen oder jemandem schreiben. Also verlange ich auch danach, wenn Mama nicht zu ihrem Telefon greift. Dann ist es ja frei, um Ba-ba-ba zu schauen, meine ich. Sie meint dann aber wieder „Nein, jetzt nicht“ oder „Ein bissi später“ oder „Nach dem Essen“. Durch all diese Schwierigkeiten, komm ich nur ein, zwei Mal am Tag auf meine Dosis. Ok, dafür darf ich dann gleich 2, 3 Mal hintereinander die lustigen gelben Kerlchen mit einem oder zwei Augen und den dazu passenden Brillen singen sehen. Ich könnte allerdings schwören, die singen nicht Barbara-Ann sondern Ba-ba-na-na.

Amor.

Ich bin 15 Monate und 3 Tage alt.


So sagt Mama jetzt manchmal zu mir. Amor. Manchmal ist dann, wenn es Zeit ist, zu jemandem Servus, Baba und Pfiat di zu sagen. Dann fragt mich die zu verabschiedende Person meist, ob sie denn ein Bussi von mir bekommen könne. Schaut meistens schlecht aus. Mit Bussis gehe ich sparsam um und wenn eines von mir verlangt wird, mag ich schon gar keines hergeben. Nein! sage ich dann. Wo kämen wir denn da hin! Zum Schluss kriegt jeder, der nach einem verlangt, eines. Nope, lieber nicht.

Lieber schon ist mir, wenn sich wer anders busselt. Das mag ich. Drum – wenn es ums Verabschieden geht – animier ich lieber die vorhandenen Charaktäre, sich untereinander zu busseln und nicht mich. Das Animieren mache ich so, dass ich meine Hand an die Wange der Person lege, die mich gerade am Arm hat. Und mit der Hand schiebe ich sie oder ihn dann in die Richtung der Person, die Baba geht. Es wird dann meist gemacht, wonach ich verlangt – mit der Hand gedrängt – habe. Und weil das so gut klappt, verlange ich meist mehrmals danach. Sollen sie sich doch ruhig ein paar Bussis geben. Nachdem Mama mich meistens am Arm hat, muss die zur Zeit ganz schön austeilen und einstecken – eh nur Bussls.