Ich habe ein Nein-Kontingent.

Ich bin 17 Monate alt.


Weiß irgendjemand, was das ist – ein Nein-Kontingent? Ich bin nämlich offensichtlich in Besitz von so etwas, habe aber keine Ahnung, was das denn sein soll. Ich weiß, dass ich es habe, weil Mama sagt manchmal: Mäuslein, willst du dein Nein-Kontingent schon um 8 Uhr morgens aufbrauchen? Oder sie meint: Schätzlein, dein Nein-Kontingent ist für heute erschöpft, überleg dir mal eine andere Antwort.

Auch wenn mir das alles ein Rätsel bleibt, finde ich es gut, das Nein-Kontingent. Schließlich hat es irgendwas mit Nein zu tun. Und das gefällt mir, Nein-sagen gefällt mir sehr. Sehr sehr sehr. Ich kann sogar unterschiedliche Neins:

Das weinerliche Nei-hein: Hält Mama meist für übertrieben, ich hingegen, finde es oft passend, zum Beispiel, wenn mich Mama fragt, ob ich ein Grissini möchte.

Das definitive, sehr kurze Nein!: Das geht als Antwort auf jede Frage, gerne renne ich dazu auch gleichzeitig vom Fragesteller weg.

Das knautschige Ne-e-ein: Wenn ich bereits mehrere, kurz hintereinander folgende Fragen mit Nein beantwortet habe, aber immer doch noch eine Frage folgt, obwohl ich meinen Standpunkt doch schon so klar gemacht habe.

Übrigens kann ich auch Ja: Mit einem unmerklichen, etwas schiefen Nicker bedeute ich, dass ich der Anfrage eventuell positiv gegenüber stehe.

Ich schaff den Meter in 6 Sekunden.

Ich bin 16 Monate und 27 Tage alt.


Mama hat sich diese Zeit irgendwie ausgerechnet und mir mitgeteilt. Sie hat gesagt, dass man die Strecke zu Oma und Opa locker in 5 Minuten bewältigen kann. Ja, kann man, muss man aber nicht. Wenn Mama mich also nicht im Wagerl schiebt, sondern ich mein Laufrad unter mir herschiebe, kann es auch 40 Minuten dauern, bis wir bei Oma und Opa anläuten. Das kommt hauptsächlich daher, dass Mama und ich den Gutteil der Strecke darüber diskutieren, ob ich nun mit dem Puky fahre oder einfach nur drauf sitze. Ich sitze nämlich gerne einfach nur drauf. Schaue mich ein bisschen um, drehe den Lenker hierhin und dann dahin und zeige Mama die Garagen, an denen wir vorbeikommen.

Die längere Fahrtzeit ergibt sich außerdem durch diverse Pausen: Ich muss den einen Baum, an dem wir vorbeikommen, streicheln. Ich muss viele der Zäune angreifen, die wir passieren und oft, ja oft, da muss ich auch inspizieren, was das da ist, was da am Boden liegt. Ach ja und dann dauert es auch noch, weil ich – laut Mama – oft in die falsche Richtung fahre: Vom Gehsteig runter zum Beispiel. Oder wenn kein Gehsteig da ist, muss ich an den Rand der Straße rollen. Doch was soll ich sagen, auch wenn es dauert – die Zeit verfliegt. Was übrigens nicht an Mamas Weisheiten liegt, die sie auf der Strecke von sich gibt: „Du bist nicht allein auf der Welt, gewöhne dich bitte dran“ und „Ja, ja, der Weg ist das Ziel“ – ständig muss ich mir das anhören.

Auf Familienurlaub.

Ich bin 16 Monate und 24 Tage alt.


Die letzten Tage war ich auf Familienurlaub. Also nicht nur ich und Mama und Papa, sondern auch Oma und die lieben Tanten, wir alle waren in Italien. Ach, ein paar ganz nette Männer waren auch dabei. Aber ich steh nun mal mehr auf Frauen. Die haben mich so beschäftigt, da kam ich einfach nicht zum Schreiben.

Das fing schon beim Frühstück an. Da hab ich Oma auf Kinderdiät gesetzt, wie das Mama nennt. Sie meint, neben einem Kind kommt man nicht so gut zum Essen. Und Oma eben nicht zum Frühstücken. Ein halbes Semmerl hab ich ihr zugestanden, dann musste sie aber ratzfatz in die Spielecke mit mir. Dort sind dann irgendwann auch all die anderen aufgetaucht und haben mich bestens unterhalten. Später ging’s dann an den Strand und weiter mit der Action. Was die Oma und Tanten für Sandkuchen gebacken haben! Alle durfte ich zerstören! Ab und zu hab ich einen Kontrollblick auf die Mama geworfen, aber die lag nur fade rum und hat in einem Buch gelesen. War ein interessanter Anblick, ich wusste nicht, dass sich Mama so wenig bewegen kann.

Ich bin kein Auto.

Ich bin 16 Monate und 17 Tage alt.


Leider bin ich keins. Denn die Autos, die dürfen sehr wohl dorthin, wo ich auf keinen Fall hin soll – auf die Straße. Die Autos haben diese riesige flache Fläche ganz für sich und ich darf mich nur und ausschließlich am Gehsteig fortbewegen. Das hat Mama gestern noch Mal deutlich gemacht. Ich habe ein ums andere Mal versucht, auf die Straße zu gehen, aber ein ums andere Mal gab es einen Rüffel von Mama dafür. Ich habe versucht, das ganze spaßig zu nehmen. Habe gelacht, wenn sie mich zurecht gewiesen hat, aber Mama fand das ganz und gar nicht lustig. Ich musste dann sogar an ihrer Hand gehen und durfte nicht allein drauf los erkunden, weil sie meinte, ich würde nur recht wieder auf die Straße laufen, wenn sie mich losließe. Ja, würde ich vielleicht. Vor allem mit meinem Puky würde ich. Denn erklär mir das mal jemand: Mein Laufrad hat genau so viele Räder wie die Autos und trotzdem und ebenfalls muss ich damit am Gehsteig bleiben. Es wird eindeutig Zeit, dass ich autofahren lerne.

Mein Wörterbuch.

Ich bin 16 Monate und 14 Tage alt.


Für den Fall, dass ich mal jemanden treffe, der mich nicht so gut kennt, möchte ich hier festhalten, was ich meine, wenn ich Folgendes sage:

Tatti – steht für Karte. Davon habe ich ein ganzes Kuvert voll. Da sind bunte Bilder drauf und die schaue ich mir sehr gerne an. Vorzugsweise sitze ich dabei auf meinem Dreirad. Dann ziehe ich die Karten einzeln aus dem Kuvert und lege sie ins Körbchen, das hinten an meinem Dreirad dran ist.

Papa – scheint eindeutig. Und ja, ich meine meist den Papa. Aber falls der Opa vor Ort ist, meine ich den.

A-en – Sandalen. Das sind sehr schöne Schuhe, die ich momentan oft an den Füßen trage. Auch der Hirte in meinem Liederbuch trägt A-en. Der spannenlange Hansel und die Suse, liebe Suse hingegen gehen barfuß. Ist schließlich Sommer.

Bib – ist ein Bub.

Mam – ist ein großer Bub, also ein Mann.

Babi/Bebi – so heißt bei mir das Baby. Zuhause gibt’s sehr viele. Von allen möglichen Packungen lächeln die herunter.

Ad – ist natürlich das Rad. Damit fahren Mama und ich manchmal zu den I-a und schauen ihnen beim I-aen zu.

I-nna – das ist die Ilona von gegenüber. Die hat 6 Haustiere! Einen Hund und 5 Katzen. Mama weiß auch, wie die alle heißen, aber ich merke mir das leider nicht.

Bam – so sage ich zu einem Baum.

Adba/Edbi – Erdbeeren. Nehme ich vorzugsweise nur als Wort in den Mund. Viel lieber esse ich Kirschen, was ich aber nonverbal kommuniziere: Ich stelle mich mit weit aufgerissenem Mund unter den Baum und zeige auf meine Zunge. Dann pflückt Mama eine Kirsche und beißt sie mir auf. Das darf ich selber nicht, denn die Kirschen haben einen De-nn und den Kern darf man nicht schlucken.

Dazu kommen noch die Worte, die man – mit etwas Hingabe – auch versteht, wenn man mich nicht täglich sieht: Neben Mama, Papa und Oma (mit stummem O) sind das Auto, heiß, Baba und ab. Wu-wu und Tik-tak sollten auch kein Problem für den geneigten Zuhörer darstellen. Alles in allem kann man mit mir also schon eine ganz treffliche Unterhaltung führen.

 

Wenn das Aufwischen beim Aufwischen bloß nicht wäre.

Ich bin 16 Monate und 11 Tage alt.


Ich wische gerne. Gebt mir ein Geschirrtuch, drückt mir ein Feuchttuch in die Hand und ich gehe schnell mal über die ganze Küche drüber. Noch lieber als wegwischen mag ich allerdings das Aufwischen. Da holt Mama dann diesen lustigen Besen und den noch viel lustigeren Kübel dazu. In den Kübel kommt Wasser mit Schaum! Trinken darf ich das nicht, aber ein bisschen pritscheln drin schon. In das Wasser kommt dann dieser Besen, ein Mopp ist das, sagt Mama. Diesen Mopp darf ich dann ordentlich in das Wasser drücken – hin und her, rauf und runter. Das macht ein lustiges Geräusch: Hmpf, hmpf, hmpf. Dann kommt der Mopp in eine Vorrichtung am Kübel. Da steigt Mama auf ein Pedal draußen am Kübel und der Mopp dreht sich voll wild. Das Wasser spritzt aus dem Mopp und in den Kübel und der Mopp kreist und surrt und surrt und kreist. Wenn man seine Finger jetzt auf den Mopp legt, rattert es und die ganze Hand kitzelt. Oder man hält den Mopp am Stiel und versucht, das Drehen zu stoppen. Und dann. Dann kommt der langweilige Teil. Man darf den Mopp nach dem Auswringen in der Vorrichtung leider nicht gleich wieder – Hmpf, hmpf, hmpf – ins Wasser tauchen. Nein, oh nein. Dazwischen muss man den Mopp über den Boden ziehen und sauber machen. Warum bloß müssen schöne Dinge wie Aufwischen immer durch so Langweiligkeiten wie Aufwischen unterbrochen werden?

Zum Abendessen gibt’s ein Interview.

Ich bin 16 Monate und 8 Tage alt.


Ich mag es, wenn alles seinen gewohnten Gang geht. Wenn Mama und ich beim Frühstück sitzen, ist es normal, dass Papas Platz frei bleibt. Ich muss zwar zwischendurch schon fragen, wo er ist, aber nur ein, zwei Mal möchte ich von Mama hören, dass Papa gerade im Bad ist, um sich frisch und fesch zu machen. Manchmal sagt Mama auch, dass er sich fresch und fisch macht, was sie selber am lustigsten findet. Naja. Jedenfalls habe ich mich daran gewöhnt, dass Papa nicht Frühstück mit uns isst, auch wenn er da ist.

Anders war das letztens beim Abendessen. Da war Papa auch da, aber nicht am Tisch, wie sonst immer, wenn er eben da ist. Das hat mich sehr verwirrt. So verwirrt, dass ich dauernd fragen musste, wo Papa denn nun ist. „Papa ist draußen Rasen mähen, er kommt dann gleich rein.“, hat Mama mir erklärt. Am Anfang noch ziemlich ruhig, bei meinem 10. oder 15. Nachfragen zwecks Papa war sie schon etwas unrunder: „Er ist draußen und mäht den Rassssen. Du kannst in der Zwischenzeit ruhig deine Paradeiser essssssen.“ Dazu hat sie sich noch selbst ermahnt, schön ruhig zu atmen. Ich hab trotzdem nicht locker gelassen. Ich konnte und kann noch immer nicht verstehen, warum Papa nicht mit uns am Tisch sitzt. Also habe ich weitergefragt. So etwa im Sekundentakt. Irgendwann hat Mama ihren Kopf in den Nacken geworfen und ein sehr urtümliches Geräusch gemacht. Sie hat gesagt, das sei ein Abendessen und kein Interview. Eh. Ich hatte innerhalb von 40 Minuten bereits eine Scheibe Käse, einen bissi von der Paradeis und ein paar Bissen Brot gegessen.

Das universelle Ba-iiiiiii.

Ich bin 16 Monate und 5 Tage alt.


Ja, Ba-i, sag ich, wenn ich Ball sagen will. Mama sagt dann oft „Nein, das ist kein Ball, das ist ein Kreis.“ Oder auch „Das sind Tupfen.“ Gehört habe ich auch schon „Das sind Punkte, mein Schatz.“ und „Was du da meinst, ist ein Verkehrszeichen, meine Maus – Halten und Parken verboten.“ Ja, wie man merkt, sage ich oft und zu allem Runden Ba-i. Ich habe hier auch schon des Öfteren von meiner Ball-Leidenschaft berichtet. Nur geht es mir heute gar nicht um das Ding, sondern um das Wort. „Balllllllll, mit zwei LL hinten“ sagt Mama auch gern, wenn ich eben Ba-i sage. Weil ich eben nicht anders kann. So wie so viele rund um mein Alter. Ich habe doch ein paar Bekannte um die 1,5 und die sagen alle Ba-i. Es klingt ganz genau so, wie ich es sage. Exakt. Kein Unterschied: Ba-iiii. Unsere Mamas finden das sehr amüsant und imitieren uns sogar: „Ja, Ba-iiii“, sagen sie. Ganz ohne LL hinten dran.

 

Ich will meine Schnuller!

Ich bin 16 Monate und 2 Tage alt.


Wenn wir beim Essen sind und ich sehe die Box, in der meine Schnuller drin sind, dann will ich die haben. Nicht nur beim Essen eigentlich, eigentlich immer, wenn ich die Box sehe, will ich sie haben. Denn die Box kann ich aufmachen und da sind dann eben meine Schnuller drin. Die stecken wiederum in kleineren Boxen. Ich mache eine nach der anderen auf, hole den Schnuller raus, stecke in mir ihn den Mund – oder ich verlange, dass Mama ihn in den Mund nimmt, was sie nicht so gerne macht – und dann. Dann lege ich den Schnuller wieder in die Box und mache sie zu. Um die nächste Box aufzumachen, den nächsten Schnuller rauszuholen und an dem zu saugen.

Ich habe die Boxen in der Box oben im Schrank gefunden und will sie seitdem nicht mehr missen. Interessant, meint Mama, denn sie hat all die Schnuller vor gut einem Jahr gekauft, nachdem ich für den dicken grünen Neugeborenen-Schnulli zu groß war. Doch all diese Nachfolger vom dicken, Grünen habe ich nie gewollt oder gebraucht. Sie hatte sie umsonst gekauft. Vermeintlich. Denn heute, heute kann ich sie sehr gut zum Spielen gebrauchen.