Ich fühle mich missverstanden.

Ich bin 18 Monate und 22 Tage alt.


Das passiert mir in letzter Zeit dauernd. Es kommt sogar mehrmals am Tag vor, dass ich etwas sage und dann – dann schaut mich Mama an. Sehr konzentriert schaut sie mich an. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtet sie mich. Und ich schaue Mama an. Die sagt dann etwas, das völlig aus dem Kontext gerissen scheint, passt rein gar nicht zu dem Thema, das ich soeben angeschnitten hatte. Also schaue ich sie weiter an. Mit zweifelndem Blick schaue ich – kann einen die eigene Mutter nicht verstehen können? Sie wiederum schaut mich fragend an und startet eventuell noch einen Versuch, zu wiederholen, was ich eben sagte. Aber nope – ich bleibe oft missverstanden.

Manchmal meint sie, ich solle doch wiederholen, was ich soeben gesagt habe, denn sie hätte mich nicht verstanden. Mache ich eher ungern, das Wiederholen. Momente später – also wahre Ewigkeiten – wiederholt sie plötzlich ganz laut und deutlich, was ich zuvor ausgesprochen hatte: Biskotten willst du!! Oder: Wir sollen die Matte runterholen!! Aber auch: Du willst in den Garten rausgehen!! So erstaunt von ihrem Verständnis ist sie – gerade dass sie sich im Moment der Erkenntnis nicht mit der flachen Hand an die Stirn klatscht – wäre aber passend bei der langen Leitung.

Ich habe das letzte Wort.

Ich bin 18 Monate und 12 Tage alt.


Ich will sprechen lernen, lernen, lernen. Doch wenn die großen Menschen reden, sagen sie immer gleich so viel auf einmal. Gut, oft genug kommt es vor, dass die Konversation nur aus einem bis wenigen Worten besteht: Nicht, Es ist genug jetzt, Mäuslein! Doch meist und vor allem, wenn die Großen untereinander reden, ergießen sich ganze Wortfluten. Weil ich mir das nicht alles merken kann, hab ich mich aufs letzte Wort in einem Satz spezialisiert. Ich warte das ab und sag es dann nach: Ausse (also draußen), scho (soll heißen schon) und noch viel mehr habe ich so gelernt.

Und letztens als Mama Wasser vermischt mit Kakao in der ganzen Küche verteilt hat und diese Masse überall war – in den Fliesenfugen, auf den Küchenmöbeln, in den Küchenladen und sogar auf der weißen Wand, da hab ich Oida! gelernt. So sagen wir hier Alter! Und das war nicht nur das letzte Wort in Mamas Satz, sondern kam sehr oft in der Wortflut, die auf die Kakaoflut folgte, vor. So hab ich es gut genug gehört, um es geraume Zeit an diesem Tag, von mir zu geben: O-dda! O-dda! O-dda! hab ich geplappert und Mama hat mich etwas verzweifelt angesehen. Ja, ich weiß. Ich muss noch üben, bis ich das I hinterm O hinkriege: Oida!

Ich bin du.

Ich bin 17 Monate und 11 Tage alt.


Wenn Mama mich fragt, wer die Kluppen ausgeleert hat, sage ich: Du.
Und wenn Mama mich fragt, wer die Bücher aus dem Regal gezogen hat, sage ich: Du.
Und wenn sie mich fragt, wer sich die Hose angepatzt hat, sage ich auch: Du!

Da fragt Mama noch ein Mal: „Wer hat sich die Hose angepatzt?“. Da stupse ich den Zeigefinger gegen meine Brust und wiederhole voller Überzeugung: „Du!“
Denn ich bin schließlich du. So redet mich Mama an: Sie sagt „Willst du ein Buch anschauen?“ oder „Möchtest du eine Nektarine?“ oder auch „Kannst du bitte nicht in den rohen Erdäpfel beißen?“

Trotzdem sagt Mama, ist sie verwirrt, wenn sie mich etwas fragt und ich antworte „Du.“ Sie denkt dann momentan, ich möchte ihr etwas unterstellen. Sie sagt, dass sie sich erst daran gewöhnen muss, dass ich du bin. Ich frage mich wiederum, wer Du denn sonst sein soll.

Das universelle Ba-iiiiiii.

Ich bin 16 Monate und 5 Tage alt.


Ja, Ba-i, sag ich, wenn ich Ball sagen will. Mama sagt dann oft „Nein, das ist kein Ball, das ist ein Kreis.“ Oder auch „Das sind Tupfen.“ Gehört habe ich auch schon „Das sind Punkte, mein Schatz.“ und „Was du da meinst, ist ein Verkehrszeichen, meine Maus – Halten und Parken verboten.“ Ja, wie man merkt, sage ich oft und zu allem Runden Ba-i. Ich habe hier auch schon des Öfteren von meiner Ball-Leidenschaft berichtet. Nur geht es mir heute gar nicht um das Ding, sondern um das Wort. „Balllllllll, mit zwei LL hinten“ sagt Mama auch gern, wenn ich eben Ba-i sage. Weil ich eben nicht anders kann. So wie so viele rund um mein Alter. Ich habe doch ein paar Bekannte um die 1,5 und die sagen alle Ba-i. Es klingt ganz genau so, wie ich es sage. Exakt. Kein Unterschied: Ba-iiii. Unsere Mamas finden das sehr amüsant und imitieren uns sogar: „Ja, Ba-iiii“, sagen sie. Ganz ohne LL hinten dran.

 

Ich spreche in Sätzen.

Ich bin 15 Monate und 16 Tage alt.


Na gut, es ist nur ein Satz, den ich spreche. Und ich wusste lange gar nicht, dass es überhaupt ein Satz ist. Für mich klingt Adais eher wie ein Wort. Doch Mama sagt, dass es ein Satz sei: „Ach, da ist es.“ sollte man eigentlich sagen, hat sie mir letztens erklärt. Sagt aber trotzdem immer A-da-is. Wirklich ständig sagt sie diesen „Satz“. Wenn meine Hand durch den Ärmel gerutscht ist, sagt sie A-da-is oder auch wenn sie den vollgeräumten Tisch mit Blicken absucht und dann findet, wonach sie Ausschau gehalten hat. Beim Kochen sagt sie sehr oft A-da-is und bevor wir das Haus verlassen und sie unsere 7 Sachen zusammensucht, hört sie oft gar nicht auf damit, diesen Satz zu sagen. Wenn wir das Haus verlassen haben, geht es sogar noch weiter. Da schaut sie dann noch einmal in ihre Tasche, kramt herum und wieder: A-da-is.

Nachdem dieses Wort, tschuldigung, dieser Satz so wichtig scheint, sage ich ihn eben auch. A-da-is mein Buch, mein Fuß und auch die Pusteblume im Garten. Im Gegenteil zu ihr brauche ich dafür aber gar nicht auf der Suche nach etwas sein. Ich weiß schließlich, wo meine Sachen sind.

Ein bis drei Mal Ba.

Ich bin 15 Monate und 13 Tage alt.


„Ba“ ist eine echt variable Silbe. In ihrer Grundform – also nur Ba! – benutze ich sie zum Beispiel oft, wenn ich etwas esse. Mama gibt mir eine Gurke und ich sage Ba! Das hindert mich aber nicht daran, gleich darauf noch ein Stück davon zu essen – oder auch nicht. Ich nehm das nicht so genau. Ba! ist aber auch alles, was man gar nicht essen soll. Also Mamas Gummihandschuhe oder das Blatt im Garten oder auch ein Stein auf der Straße. Dann sage ich schon Ba! noch bevor ich es in den Mund stecke, dazu schüttle ich den Kopf und schaue Mama an. Die muss mir nämlich schon bestätigen, ob das wirklich Ba! ist oder ob ich es nicht doch eventuell bei Gelegenheit in den Mund stecken könnte. In 99% der Fälle bleibt es bei Ba! und das Etwas – leider – aus meinem Mund.

2 Mal Ba bekommt alles, was weg geht. Meistens sage ich zu Leuten Baba. Manchmal auch zu Dingen. Immer öfter sage ich es zu meinem Essen, wenn es in meinem Bauch gelandet ist. Dann ist die Schüssel leer und die Mahlzeit darin eben Baba.

Und schließlich 3 Mal Ba, das ist mein Lieblingslied. Ba-ba-ba, Ba-bar-bara-Ann.